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TikTok: Prekäre Plattform

Die Politische Meinung, volume 70, issue 592 (2025), pp. 20-89

ISSN 0032-3446

"Mit rund 1,5 Milliarden monatlichen Nutzern ist TikTok ein globaler Kommunikationsraum – und ein geopolitisches Machtinstrument. Die Plattform steht mit im Zentrum der Rivalität zwischen den USA und China. Washington drängt auf eine Abspaltung vom chinesischen Mutterkonzern ByteDance, während US-Tech-Giganten wie Microsoft und Oracle als Käufer bereitstehen. Im globalen Wettbewerb geht es zunehmend um Daten, Datenhoheit und Vorteile bei der digitalen Infrastruktur. Deutschland und Europa reagieren zögerlich auf die Dynamik solcher Plattformen. Zwar gibt es Regulierungsversuche, doch ist deren Wirkung begrenzt. Noch stehen der Attraktivität und Macht digitaler Akteure kaum strategische Antworten entgegen. Die digitale Souveränität Europas bleibt damit ein politisches Schlagwort – ohne praktische Entsprechung. Besonders heikel ist die Frage politischer Einflussnahme. TikTok kann gezielt zur Stimmungsmache und Manipulation von Wahlentscheidungen genutzt werden. Warnungen vor Desinformationskampagnen, insbesondere lanciert von Drittstaaten, sind berechtigt. Doch ist die digitale Dominanz radikaler Kräfte kein Automatismus. Parteien der Mitte haben ihre digitale Präsenz zuletzt erheblich ausgebaut. Die Herausforderung liegt nun darin, die politische Kommunikation an die Logiken der Plattformen anzupassen. Gefragt ist ein doppelter Ansatz: Regulierung dort, wo Missbrauch geschieht – etwa bei Kinder- und Jugendschutz oder Wahlkampfmanipulationen –, und zugleich ein kulturelles Verständnis für die neue Medienwelt. Allein schon, weil Regulierung an Grenzen stößt, heißt es, die digitalen Räume mit eigenen Positionen zu füllen. Es ist eine Stärke demokratischer Gesellschaften, nicht auf Kontrolle zu bauen, sondern auf selbstbewusste Menschen, die mitdenken, mitgestalten und sich zu wehren wissen. Es gilt, diesen enormen Anspruch ins digitale Zeitalter zu übertragen." (Editorial)
Tanzvideos im Kreuzfeuer: Zu der enormen ökonomischen und popkulturellen Macht von „Bytedance“ / Maximilian Sachse, 20
Extremismus auf TikTok: Jugendschutz ist demokratische Pflicht / Herbert Reul, 25
„Schwarmtaktik“: TikTok im geopolitischen Konflikt zwischen China und dem Westen / Christina zur Nedden, 30
Das Ende der Arglosigkeit: Wie Politisierung auf TikTok funktioniert / Wolfgang Ullrich, 35
In Vergnügungs- und Empörungsschleifen gefangen: Die Anreizmechanismen der sozialen Medien / Christian Montag, 42
Hallo Algorithmus! Mutmaßungen über ein Phantom / Annekathrin Kohout, 48
Plattformregulierung und Meinungsfreiheit: Warum staatliche Regulierung mit Augenmaß erfolgen sollte / Frauke Rostalski, 54
Digitale Kriminalprävention: Strategien zum besseren Schutz von Minderjährigen im Internet / Thomas-Gabriel Rüdiger, 59
Mehr als ein Hype: TikTok und andere Social Media in der Journalistenausbildung / Miriam Krekel, 65
Unkontrollierte algorithmische Macht: Die Bedrohung der Demokratie ist real / Pencho Kuzev, 70
Nicht hoffnungslos verloren: Wie Parteien der demokratischen Mitte auf TikTok erfolgreich sein können / Jörg Haßler, 74
Lost in Reels und Rage? Der Wettlauf der Parteien um TikTok-Präsenz / Konstantin Otto, 80
Längere Halbwertzeiten: Wie sich Social-Media-Plattformen verändern / Leonie Mader, 87