"Unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen gibt es eine zunehmend große Gruppe, die ein geringes Interesse am aktuellen Weltgeschehen hat, kaum Informationsangebote etablierter Medien nutzt und mit journalistischen Angeboten entsprechend kaum noch erreicht werden kann: die gering Informationsorientierten, im Folgenden kurz GIO genannt. Junge Menschen, die sich diesem Informationstyp zuordnen lassen, haben in der Regel eine niedrige formale Bildung und oft einen Migrationshintergrund. Da bislang allerdings wenige (vor allem qualitative) Befunde dazu vorliegen, was diese jungen Menschen – neben soziodemografischen Merkmalen – auszeichnet, bestand das Ziel der vorliegenden Studie darin, ihre Informationsbedürfnisse, Nutzungspraktiken und Einstellungen genauer zu beleuchten. Hierzu wurden im Sommer 2023 in vier Großstädten in Deutschland zehn Fokusgruppen (n=46) mit solchen Jugendlichen und jungen Erwachsenen durchgeführt, die sich aufgrund ausgewählter soziodemografischer Merkmale der Gruppe der GIO zurechnen lassen. Die Fokusgruppen fanden in den Städten Hamburg, Bottrop (Nordrhein-Westfalen), Dresden (Sachsen) und Nürnberg (Bayern) statt. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse zusammenfassend dargestellt.
• Das allgemeine Bedürfnis, über das aktuelle Weltgeschehen Bescheid zu wissen und sich dementsprechend aktiv zu informieren, ist in der untersuchten Gruppe sehr gering ausgeprägt. Das hängt zum einen mit einer wahrgenommenen Distanz zu „typischen“ politikbezogenen Nachrichtenthemen zusammen; zum anderen damit, dass die Teilnehmenden in soziale Gruppen und Gefüge eingebunden sind, in denen es kaum relevant ist, Bescheid zu wissen.
• Nichtsdestotrotz gibt es gesellschaftlich relevante Themen, mit denen sich die Teilnehmenden beschäftigen und die sie in der Freundesgruppe besprechen. Ausschlaggebend sind dabei persönliche Berührungspunkte; Themen müssen die eigene Person und Identität (Religion, Herkunft und Interessen) oder das engste Familien- und Freundesumfeld betreffen.
• Den Bedürfnissen entsprechend lassen sich die Nutzungspraktiken der befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen als beiläufige, passive und nahezu exklusive Informationsaufnahme im Kontext der Nutzung sozialer Medien – allen voran TikTok, YouTube und Instagram – zusammenfassen. Das Wissen über aktuelle Ereignisse basiert auf zufälligen Nachrichtenkontakten, die im Zusammenspiel mit dem Algorithmus der jeweiligen Plattform entstehen. Eine gezielte Informationssuche findet nur anlassbezogen und in der Regel mittels einer Google-Suche statt.
• Gering Informationsorientierte haben ein schmales Informationsrepertoire, zu dem kaum journalistische Angebote zählen und auch nicht ergänzend hinzugezogen werden; vielmehr haben einzelne Social Media Content Creator wie Herr Anwalt oder Rezo die Rolle als Informationsquelle eingenommen, da diese a) die richtigen Themen, auf b) die richtige – neutrale – Art mit c) der entsprechenden unterhaltenden Darstellungsweise behandeln und d) als vertrauenswürdig wahrgenommen werden, wodurch sie e) das Interesse von jungen Leuten wecken. Allgemein präferieren die Befragten visuelle Formate, die den über TikTok kultivierten Konsumgewohnheiten sowie ihren impulsgesteuerten Nutzungspraktiken gerecht werden.
• Trotz der großen Relevanz und Beliebtheit von TikTok und anderen Plattformen wird deutlich, dass diese für die Teilnehmenden ein schwierig zu navigierendes und unsicheres Informationsumfeld darstellen. Dies liegt zum einen am überwiegend negativen und „toxischen“ Content, der dort verbreitet wird. Zum anderen führen sowohl „Fake-Accounts“ als auch „Fake-Inhalte“ zu Unsicherheiten und in der Konsequenz zu fehlendem Vertrauen in die Inhalte in sozialen Medien allgemein – eine Differenzierung nach Accounttyp bzw. Absender wird dabei oftmals nicht getroffen." (Überblick über die wichtigsten Ergebnisse, S.5)
1 Hintergrund und Zielsetzung der Studie, 10
2 Studiendesign, 13
3 Vorstellung und Zusammensetzung der Fokusgruppen, 17
4 Informationsbedürfnisse, 22
5 Nutzungspraktiken, 25
6 Einstellungen gegenüber Journalismus und Medien, 33
7 Zusammenfassung und Fazit, 42
8 Implikationen, 45
9 Literatur, 48
10 Anhang, 49