"Seit einigen Jahren zeigt das afghanische Fernsehen zahlreiche Krimis und Dokumentationen von Gerichtsprozessen. Sie werden von Afghanen produziert, aber aus dem Ausland finanziert, unter anderem von der Europäischen Kommission, den Vereinten Nationen und der US-amerikanischen Entwicklungsagentur USAID. Gegenwärtig laufen insgesamt sechs derartige Fernsehserien und vier Radioprogramme. Obwohl sie ernsthafte Absichten verfolgen, werden sie ohne viel Aufwand hergestellt; die Kampfszenen etwa werden in den Straßen von Kabul improvisiert. In Afghanistan galten in den vergangen zwanzig Jahren mindestens drei völlig unterschiedliche Rechtsordnungen; die staatlichen Behörden genießen wenig Vertrauen und nur wenige Leute wissen, wie eine moderne Justiz funktioniert. Deshalb sind diese Krimiserien hilfreich: Sie vermitteln wertvolle Informationen über die Funktionsweise von Gerichten, und sie machen den Afghanen bewusst, dass alle Bürger vor dem Gesetz gleich behandelt werden müssen. Der Erfolg dieser Produktionen stellt einige im Westen verbreitete Vorstellungen über Aufbau- und Entwicklungshilfe in Afghanistan und anderen kriegsgeschädigten Ländern in Frage. Zwar ist es nicht neu, Radio- und Fernsehsendungen in den Dienst der Entwicklungspolitik zu stellen. Das Kinderhilfswerk UNICEF verknüpft schon seit langem Aufklärung und Unterhaltung in seiner Arbeit: In Indien finanziert es Hörspiele, die zur Verbesserung der Gesundheit von Müttern und Kindern beitragen sollen; in Afrika unterstützt es mobile Kinos, die nach einem kurzen informativen Vorspann populäre Filme zeigen. In der Praxis spielen solche Projekte bei Impfkampagnen, in der Bildungsarbeit und bei der Verbesserung der Hygiene eine wichtige Rolle. Doch viele Organisationen, die mit öffentlichen Mitteln arbeiten, scheuen sich bisher, mit Hilfe von Unterhaltungssendungen Aufklärung zu betreiben." (Einleitung)