"Die Medien des heutigen Chile zeichnen sich durch eine zunehmende Kommerzialisierung und inhaltliche Entpolitisierung aus. Sie sind durch eine starke Zentralisierung gekennzeichnet, die sowohl politisch, wirtschaftlich als auch territorial gefestigt ist. Zudem sind sie von einer starken ideologischen Komponente geprägt. Unternehmen haben damit einen enormen Einfluss auf die Medien und bestimmen ihre inhaltliche Linie. Dem demokratischen Grundsatz der freien Meinungsäußerung kommt der chilenische Staat bislang nur unzureichend nach. Die Meinungsfreiheit bleibt eingeschränkt, obwohl Restriktionen aus der Pinochet Diktatur zurückgenommen worden sind. Es ist eben diese Entwicklung, die zur Folge hat, dass bis heute eine Selbstzensur besteht, die einen Pluralismus in den Medien behindert. Viele Chilenen haben Angst vor Repressalien, wenn sie zu sehr an sozialen Konflikten partizipieren.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Medien in Chile in Bezug auf die Darstellung der Studentenproteste voreingenommen gehandelt haben und immer noch handeln. Das ist nicht nur der Vorwurf vieler Demonstranten. Der chilenische Verband der Nichtregierungsorganisationen hat bereits im Juni 2011 beim nationalen Fernsehrat Klage gegen Kanal 13 eingereicht. Laut dem chilenischen Magazin „Publimetro“ wirft er dem Sender vor, „die sozialen Bewegungen zu kriminalisieren“ und hält die Berichterstattung für „eine ernsthafte Verzerrung, die Pluralismus, Demokratie und sozialen Frieden untergräbt“. Zudem werden Beamte des Bildungsministeriums beschuldigt, Bilder zu unterschlagen, die die Gewalt der Polizei gegen Demonstranten zeigen. Während internationale Medien wie „El País“ in Spanien und die „New York Times“ die Studentendemonstrationen im Hinblick auf ihre Forderungen analysieren und sie sogar mit dem „Arabischen Frühling“ vergleichen, wird das Verhalten der Studenten in den meisten chilenischen Medien kritisiert und verfälscht dargestellt, ohne auf die Inhalte der Protestierenden einzugehen. Auch die Zahl der Teilnehmer wurde durch die nationalen Medien manipuliert. Vielfach wurde sogar vermieden, überhaupt über die Demonstrationen zu berichten: Eine riesige chilenische Flagge mit dem Slogan „Ausbildung: frei, würdig, frei“ wurde während des Spiels zwischen den Fußball-Nationalmannschaften von Chile und Mexiko ausgerollt. Bei den offiziellen Übertragungen der chilenischen TV-Sender wurde diese Flagge jedoch ausgeblendet." (Seiten 231-232)