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Smartphones: Die Macht in der Hand

iz3w, issue 376 (2020), pp. D1-D31
"Weltweit nutzen 3,3 Milliarden Menschen ein Smartphone, Tendenz weiter steigend. In nahezu allen Ländern des Südens ist die Verbreitung besonders groß. Nicht immer handelt es sich dabei um teure Topmodelle, aber gerade wegen ihrer Erschwinglichkeit sind allein in afrikanischen Ländern 700 Millionen internetfähige Smartphones und nicht-internetfähige Mobile Phones im Gebrauch. Selbst in Ländern wie Somalia, wo Infrastrukturen gleich welcher Art kaum existent sind, funktioniert eines recht zuverlässig: das Mobilfunknetz. In einer High-Tech-Fabrik in Ruanda laufen seit neuestem täglich zehntausend »MaraPhones« genannte Smartphones vom Band.
Die durch Smartphones und Mobile Phones entstehenden Möglichkeiten werden überall auf der Welt ausgiebig genutzt. Tiefgreifende gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen sind die Folge. Familiäre Beziehungen werden neu gestaltet und klassische Modelle sozialer Interaktion wie »Freundschaft« neu definiert. Praktisch jeder Wirtschaftssektor ist gründlich von den Handys auf den Kopf gestellt worden. Auch in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in Ostafrika gehören Smartphones längst zum Alltag. Ohne dem Kulturpessimismus zu frönen: Es liegt auf der Hand, dass all diese Entwicklungen nicht nur Chancen, sondern auch große Gefahren bergen. Mit keiner anderen systemrelevanten Technologie lassen sich Manipulation und Überwachung von Individuen besser bewerkstelligen als via Smartphone. Die mit erpresserischen Methoden exekutierte Datensammelwut der großen Konzerne hat durchaus eine Entsprechung in der Überwachung durch autoritäre Regime. Dagegen klingen frühere Dystopien à la »Big Brother is watching you« harmlos.
Im Bereich des Politischen wird besonders deutlich, wie groß die partizipatorischen Potenziale einer Demokratie von unten via Social Media sind, aber auch, wie schnell diese in Regression, Manipulation und Repression münden. Der Arabische Frühling galt zu Recht als »Facebook-Revolution«, das hierarchische Sender-Empfänger-Prinzip war partiell aufgehoben. Was aber vor staatlicher Verfolgung nicht nur nicht schützte, sondern sie oft überhaupt erst ermöglichte. Perfektioniert wird politische Kontrolle via Smartphone einmal mehr von der KP der Volksrepublik China. Sie hält ihre 90 Millionen Parteimitglieder via App auf Kurs – und wehe, jemand liest zu wenig Beiträge und sammelt nicht genügend »Lernpunkte«! Beim Smartphone ist es eben wie beim Beton: Es kommt drauf an, was man draus macht." (Editorial, Seite D2)
Wasser. Smartphone. Essen. An mobiler digitaler Kommunikation kommt niemand mehr vorbei / von Christian Stock, D3
So smart: Die Ambivalenz des Kapitalismus steckt in der Jackentasche / Andrea zur Nieden und Christoph Taubmann, D6
Das Smartphone schlägt zurück: Trotz Chinas Aufschwung sind die Arbeitsbedingungen schlecht / Peter Pawlicki, D8
Hätte, hätte, Lieferkette: Wie fair ist das Fairphone? / Elena Kolb, D12
Zweifelhafte Entwickler: Was bringen Smartphones bei der Armutsbekämpfung? / Sven Hilbig, D14
Start-ups in Silicon Savannah: Digitalisierung in der afrikanischen Landwirtschaft / Heike Baumüller, D18
Die perfekte Plattform: In China hat die App WeChat ungeheure Macht erlangt / Felix Lee, 21
Soziale Bilderwelten: Alltägliche Smartphone-Fotografie in der Côte d’Ivoire / Till Förster, D24
Digitalisierte Autonomie: Welche Rolle spielen Smartphones für Geflüchtete? / von Sina Arnold, D26